Waldweihnacht 2023

27. Dezember 2023 · St. Quirinus Fürstätt

1 Jakob wurde geweckt von einem leisen Fiepen seines Handys. Sein Freund Klaus hatte ihm eine Nachricht geschickt. Was will der jetzt in aller Herrgottsfrühe? „Kommst Du mit zum Frieden licht“ stand auf dem Display. 

Ah ja, es war mal wieder Zeit, nach München zu fahren. Jakob freute sich schon, als Pfadfinder würde er mithelfen das Friedenslicht abzuholen. Das war inzwischen schon Tradition. Angeblich kommt das Licht ja direkt von Bethlehem und wird von vielen weitergetragen. Es wandert von Hand zu Hand und jeder schaut, dass es nicht ausgeht. So kommt es über viele Stationen, bis nach München. Eine nette Aktion, findet Jakob. Natürlich, das gemeinsam unterwegs sein und abholen macht sicherlich Spaß, aber mehr ist es ja wohl schon nicht, oder? 

2 Jakob macht sich auf dem Weg; es ist noch viel zu früh, für seinen Geschmack, hilft ja nichts, wenn man dabei sein will. Warme Schuhe, Jacke, Handschuhe, Mütze, noch was zu trinken und eine Brotzeit für unterwegs in den Rucksack und rauf aufs Rad. Er ist der erste am Bahnhof. Keiner ist noch da, in der Bahnhofshalle, nur ein wildes Treiben von Reisenden.  Ben kommt nach wenigen Minuten und nach und nach trudeln alle ein. Gemeinsam fahren sie nach München. Aber erst noch eine Runde auf dem Christkindlmarkt. Oh, wie das duftet nach frisch gebackenen Mandeln, nach Schmalzgebäck und Punsch. Die vielen Stände mit Kunstgegenständen und als die Trompeter auf dem Rathaus Balkon ein Weihnachtslied anstimmen, wird Jakob ganz wohlig zu Mute; Weihnachtsstimmung stellt sich ein.

Als seine Gruppe den Dom betritt, sitzen da schon viele Pfadfinder aus anderen Stämmen, die alle den Gottesdienst mitfeiern und schließlich das Friedenslicht mit nach Hause nehmen wollen. Ach, und der Dicke, missmutige Kerl, mit dem weißen Tuch, ist heuer auch wieder da. Der schnauzt alle an, die nicht nach seiner Pfeife tanzen. Warum der beim Friedenslicht mithilft, ist wirklich nicht zu verstehen.

Das Friedenslicht wird im Dom verteilt. Jakob nimmt das Licht in Empfang. Behutsam wird ein Licht in der mitgebrachten Laterne entzündet. Kerzenschein erleuchtet den ganzen Raum. Nach dem Gottesdienst geht es wieder nach Hause. Auch Jakob darf die Laterne ein Stück tragen. Er spürt richtig die Verantwortung, dass das Licht nicht ausgeht. Nachdem das Licht in die Kirche gebracht wird, stapft Jakob völlig durchgefroren wieder nach Hause. Vorsichtig trägt er sein Licht und achtet darauf, dass es kein Windstoß auspustet. Er nimmt noch das Friedenslicht in einer speziellen Kerze mit sich. Und tatsächlich hat er es geschafft, das Friedenslicht heil nach Hause zu bringen, und so stellt er es im Gang auf. „Auftrag erledigt! denkt sich Jakob.

3 Am nächsten Tag, als Jakob zur Schule gehen will, hat es noch mal geschneit. Dicke Flocken fallen vom Himmel. Jakob freut sich über den schönen Schnee, der alles so schön weiß einhüllt und die Flocken, die so schön kitzeln, wenn sie auf die Nase fallen und dort schmelzen. Endlich wieder Schneeballschlacht, Iglo bauen und Schlitten fahren. Aber nicht alle sind von der weißen Pracht begeistert. Die Hausmeisterin steht unten im Eingang und schimpft wie wild durchs Treppenhaus: „Das ist ja unglaublich, kein Schwein hilft mir, ich kann alles hier allein machen“. Da kommt gerade Herr Meyer aus dem dritten Stock die Treppe herunter mit Anzug und Krawatte und eine Aktentasche unter dem Arm. Der kommt ihr gerade recht, um ihrem Ärger Luft zu verschaffen: „Herr Meyer, Sie sind mal wieder ihrer Pflicht zum Schneeräumen nicht nachgekommen“ schnaubt sie. Herr Mayer reagiert nicht gleich. „Der feine Herr hat’s wohl nicht nötig“ schreit sie ihn an, ehe er auch nur ein Wort sagen kann.  Herrn Meyer wird es nun auch zu bunt und antwortet aufgebracht und patzig „was geht mich denn der Bürgersteig da unten an? Und übrigens mache ich ja sowieso so viel.“ Das erzürnt die Hausmeisterin nur umso mehr: „Es gibt Haus-Regeln und das geht Sie sehr wohl was an; das melde ich der Hausverwaltung“ schreit die Hausmeisterin ihm hinterher.

Ein Wort gibt das andere, Türen werden zugeschlagen. Der Weihnachtliche Friede ist weit entfernt! So nimmt Jakob die Schneeschaufel und räumt den kleinen Weg hinterm Haus; schließlich hat er ja noch etwas Zeit bis zur Schule. Da hat er eine Idee: Er stellt die Schaufel wieder an ihren Platz, nimmt ein Friedenslicht, schließlich hat er vom letzten Jahr noch Kerzen von der Aktion, und stellt sie vor die Schneeschaufel am Eingang mit der Hoffnung, dass die Botschaft ankommt. 

4 Am Abend schaut Jakob mit seinem Opa Logo, die Nachrichten für Kinder. Es wird zwar kein Bild von toten Menschen gezeigt, aber es wird berichtet wie in Israel die Kämpfe immer weitergehen und welche Konflikte sonst noch auf der Welt sind. Der Reporter erklärt was die Hintergründe für die Konflikte sind: es geht um Land, um Flucht und Judenhass, um Anerkennung und Nationalstolz und vor allen Dingen, um Macht. Jeder möchte recht haben! Das ist es, was Jakob versteht. Was er nicht verstehen kann: warum man sich dann gleich umbringen muss? „Warum machen Menschen so grausame Sachen“ frägt er seinen Opa. Aber auch sein Opa ist irgendwie hilflos und kann ihm nicht genau sagen, warum diese Kriege sein müssen, wo sich doch eigentlich alle Menschen nach Frieden sehnen. „Kann man denn da gar nichts machen?“ frägt er seinen Opa, doch der zieht nur die Schulter hoch und schaut resigniert. Am nächsten Tag bringt Jakob es im Morgenkreis in der Schule ein. Alle sind überzeugt was tun zu müssen aber was? Es wird beschlossen ein Plakat zu zeichnen da drauf ist ein Regenbogen zu sehen, darunter zwei Hände, die aufeinander zugehen und oben drüber steht: „Für den Frieden in der Welt“ dieses Plakat mit einem Friedenslicht will die Klasse auf den Stadtplatz stellen und ihre Hoffnung ist, dass es möglichst viele Leute sehen. Und, dass das vielleicht ein kleiner Beitrag zum Frieden in der Welt sein kann.

5 Am Tag vor Hl Abend ist Jakob ganz schön fertig: Den ganzen Nachmittag war er draußen in der Kälte, rumtollen, viel frische Luft, das macht müde. So geht er nach ein paar Happen bald ins Bett. Noch schnell Zähne putzen, umziehen und ab in die Falle. Er liegt im Bett und ist todmüde, aber er kann nicht einschlafen; die Ereignisse des Tages treiben ihn noch um und vor allem was für Geschenke wird er bekommen? Plötzlich hört er wie es im Wohnzimmer richtig laut wird: Papa und Mama streiten! Wieder mal! Wie üblich geht es ums Geld. Er wirft ihr Verschwendung vor: „Du gibst alles für deine blöden Klamotten und unnützen Kram aus, die kein Mensch braucht“ und Mama schreit Papa an „jeden Cent steckst du in das blöde Auto“ Jakob zieht die Decke über den Kopf damit er es nicht mehr hören muss, aber das hilft nur bedingt; man kann zwar die Augen zu machen, aber die Ohren nicht verschließen. Der Streit wird immer heftiger. Er hat das schon oft erlebt.

Jakob hat Angst, dass sich seine Eltern trennen; das hat er schon öfters bei den Klassenkammeraden mitbekommen. Jenny war wochenlang völlig durch den Wind als ich ihre Eltern scheiden ließen. Sie musste sich dann entscheiden, ob sie zu Papa oder zu Mama zieht, und mit den Noten ging es bei ihr dann auch steil bergab. Ob es bei ihm auch so wird? Zitternd vor Angst liegt er im Bett, an Schlaf ist nicht zu denken. Er muss was tun. Entschlossen wirft er die Decke zurück und tapst den Gang entlang. Die Fliesen sind eiskalt mit dem dünnen Schlafanzug zittert er noch mehr. Als er das Friedenslicht, das noch auf dem Sims brennt, in die Hand nimmt, beginnt die Flamme zu flackern. Tapfer trägt er es ins Wohnzimmer. Je näher er der Tür kommt umso lauter hört er sie streiten. Erst bemerken sie ihn gar nicht, so sehr haben sich beide in Fahrt geredet.

Jakob stellt das Friedenslicht auf den Wohnzimmertisch. Schlagartig verstummen beide. Papa blickt zerknirscht zu Boden, Mama läuft eine Träne über die Wange. Mama und Papa schauen sich betreten an. Keiner sagt nur ein Wort, es ist Ruhe! Ob Frieden ist, weiß Jakob nicht. Jakob schaut noch beide an und geht, ohne ein Wort zu sagen, wieder ins Bett. Und weint sich in den Schlaf. 

6 An Heiligabend wird beim Brunch nur das Nötigste geredet. Die Spannung vom Vorabend hängt noch in der Luft. Gott sei Dank hat er sich zum Spielen mit seinen Kumpels verabredet und kann dieser Situation entfliehen. Erst kurz bevor es zum Gottesdienst geht, schleicht sich Jakob wieder ins Haus. Jakob hat nur noch ein Friedenslicht. Er überlegt, wem er dieses Friedenslicht geben könnte, und beschließt es kurzerhand einzustecken.

Wie jedes Jahr geht er mit Mama und Papa zur Kinderchristmette. Wie jedes Jahr singen die Engel. Wie jedes Jahr wird die Herbergssuche gespielt. Und wie jedes Jahr, wird zum Schluss Stille Nacht gesungen. Am Schluss gehen Mama und Papa mit ihm vor zur Krippe und sie schauen sich die Scene an. Das Jesuskind liegt da, die Arme ausgebreitet, als wolle es ihn umarmen, ja die ganze Welt umarmen. Jakob denkt an all die Streitigkeiten, die er in den letzten Wochen mitbekommen hat: die Hausmeisterin mit Herrn Mayer, an die Berichte von den Kriegen, und vor allem an Mama und Papa. All das legt er jetzt hinein in diese Krippe zu diesem wehrlosen Kind da drinnen, das ihn so anlächelt. Und plötzlich wird ihm klar, dass auch er ein Friedenslicht braucht, weil wir Menschen uns so schwer tun Frieden zu halten. Gut, manche Menschen tun sich noch schwerer, aber einfach ist es für keinen von uns. Aber es ist möglich denkt Jakob. Er zieht die letzte Kerze aus seiner Tasche und entzündet sie an der Altarkerze und stellt sie neben die Krippe.  Mama und Papa beugen sich zu ihm runter Papa sagt „wir haben dich ganz lieb“ und Mama ergänzt: „und das bleibt auch so, auch wenn wir uns manchmal streiten.“ Und beide schauen sich ganz liebevoll in die Augen. Jakob schaut sehnsuchtsvoll in das Licht seiner Friedenskerze und in diesem Moment wird Weihnachten für ihn, weil ein Stück mehr Friede eingekehrt ist in dieser Welt. 

Von Erwin Brader

Tonio

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